Scheiden

An meine Eltern erinnere ich mich so: Papa arbeitete viel oder schlief vor der Nachtschicht, und meine Mutter schimpfte oft. Ich war oft allein, und das gefiel mir. Bei sehr schlechtem Wetter spielte ich gerne auf dem Dachboden, wo niemand außer mir hinkam. Dort spielte ich mit meiner Puppe, die schöne blonde Haare hatte – zumindest bis nach meinem „Friseurspiel“, bei dem die Haare nur noch kurze Stoppeln waren.

Am Wochenende gab es immer den obligatorischen Familienausflug. Ich ging gerne spazieren, aber der Familienausflug bereitete mir nur selten Freude. Man musste sich fein anziehen, um zu vermeiden, dass die Leute schlecht über uns denken. Wir gingen brav auf dem Weg und durften uns nicht schmutzig machen. Es war langweilig, und oft stritten meine Eltern über irgendetwas, allerdings nur, wenn keine Fremden in der Nähe waren.

Eine Erinnerung steht mir besonders klar vor Augen. Als ich noch im Kindergarten war, besuchten wir Oma an einem Winterabend, als es bereits dunkel wurde. Meine Eltern stritten wieder, und sie sprachen sogar über eine mögliche Scheidung. Ich saß auf meinem Schlitten und dachte darüber nach, was „Scheiden“ bedeuten könnte. Irgendwie wusste ich, dass es nichts Gutes war, und das machte mir Angst.

Sie haben sich dann tatsächlich getrennt, aber erst zwei Kinder und ungefähr 14 Jahre später.