Oma und mein Wasserreich

Oma geboren 1900
Das kleine Haus meiner Oma, erbaut in den frühen 1900er Jahren, bestand aus zwei Zimmern. Ein kleiner Raum bot Platz für drei Betten, während das große Wohn-Ess-Schlafzimmer mit einem Ehebett, einem großen Tisch und einer Bettbank eingerichtet war. Eine winzige Küche komplettierte das Haus. In diesen bescheidenen Räumlichkeiten lebten zeitweise bis zu acht Personen, als Omas sieben Kinder noch klein waren. Doch als ich sie 1960 besuchte, lebte sie allein in diesem Haus, denn die Kinder waren längst ausgezogen.
Vor dem Haus erstreckte sich ein kleiner Bach, der auf ihrem Grundstück einen winzigen See bildete. Ein breiter Holzsteg führte zu diesem kleinen Gewässer, und aus einem Wasserrohr plätscherte stetig Wasser. Meine Oma holte mit einer Blechkanne Wasser, denn es gab keine Wasserleitung im Haus, nur ein einfaches Plumpsklo.

Der kleine See war wirklich winzig, etwa zwei mal drei Meter groß, aber für mich als kleines Kind war es ein echtes Paradies. Stundenlang saß ich dort, beobachtete das Wasser und die umliegende Natur. Es gab so viel zu sehen: Schmetterlinge, Bienen, Libellen und Vögel, die wundervoll sangen. Im Wasser schwammen kleine Fische, Kaulquappen, Wasserläufer und allerlei anderes kleines Getier. Dieser kleine See war mein zauberhaftes kleines Reich.

Ich mit 4 Jahren
Heute, wenn ich meditiere, reise ich oft in Gedanken zurück in mein kleines Wasserreich. Leider existieren weder der kleine See noch das alte Holzhaus meiner Oma heute noch. Alles musste einem neuen Wohnviertel weichen, das an ihrer Stelle gebaut wurde. Doch in meinen Erinnerungen lebt mein Wasserreich weiter fort.